DOUBLE BIND, Martin Durham

26. Juni – 31. Juli 2010

Eröffnung: Freitag 25. Juni, 19 Uhr

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Der Begriff DOUBLE BIND steht in der Kommunikationstheorie für eine psychologische Doppelbindung: Die Doppelbindungstheorie beschreibt eine zweiseitige, und dadurch lähmende Bindung eines Menschen an paradoxe Botschaften oder Signale, die den Adressaten vor Interpretationsschwierigkeiten und eklatante Entscheidungsprobleme zwischen Scheinalternativen stellen und somit letztlich eine Unerfüllbarkeit aller Handlungsoptionen erzeugen, die bis zur schizophrenen Erkrankung führen kann.

Die interpretative Unauflösbarkeit, die der Betrachter bei ZERO FOLD vor Martin Durhams Arbeiten erlebt, ist eher lust- als qualvoll, DOUBLE BIND wird hier als ein augenzwinkerndes Wortspiel in unterschiedlichen Medien betrieben: Collage, Zeichnung und Installation.
Die Ingredienzien der Installationen des Künstlers kommen bekannt daher, speisen sich aus Alltagskontexten, und erzeugen ein Gefühl trügerischer Vertrautheit, um den Betrachter dann doch wieder auf sich selbst zurückzuwerfen. Durham verwendet häufig Spiegel, Neonröhren, Pailettenbänder, verchromte oder hochglanzlackierte Elemente – Materialien, die einen gewissen Sleek chic ausstrahlen und gleichzeitig eine nüchterne Funktionalität zu besitzen scheinen. Sie vereinen die Strenge von wissenschaftlichen Stationen oder physikalischen Versuchsanordnungen mit einer poetischen, rätselhaften Atmosphäre, die auch sehr spielerische Komponenten hat.
Durhams modellhafte Installationen werden von anderen, korrespondierenden Werken konterkariert und ergänzt, in denen er in zarten Bleistift-, Aquarell- und Tuschzeichnungen eine surrealistische Bildwelt erschafft: organisch wuchernde und mäandernde figurative Darstellungen, bevölkert von amorphen Zwitterwesen zwischen Mensch, Tier und Pflanze. Damit formverwandt sind seine Laubsägearbeiten aus Holz und HDF-Platten.

Humorvolle Zitate aus dem Surrealismus, der Concept oder Minimal Art, verleiten in allen Werkgruppen immer wieder dazu, verfrüht den Anker in die Kunsthistorie auszuwerfen: „Sieht doch so aus wie…“, und ihn dann angesichts der Ironie im Titel doch schnell wieder lichten zu müssen. Auch Martin Durhams Collagen aus einfachsten Grundmaterialien, wie Found Footage aus Zeitschriften, fordern zum wiederholten Überprüfen des Gesehenen heraus: Die lapidar und mit unprätentiöser Geste montierten Collagen offenbaren ebenfalls erst auf den zweiten Blick ihre Elaboriertheit und, wie beispielsweise die zart gemusterten Futter-Inlays von Briefumschlägen, eine feine Material-Poesie. Entsprechend lauert in den Zeichnungen hinter einem manchmal beinahe lieblichen Duktus und einem naiv anmutenden Bildrepertoire Paradoxes und Abgründiges: tiefschwarzer Humor, ironischer Wortwitz, erotische Aufladungen und sexistische Anspielungen.

DOUBLE BIND, eine doppelte Bindung, ist in den Arbeiten von Martin Durham gegeben durch die permanente Rückbindung an die Kunstgeschichte, die der Künstler vor seiner künstlerischen Ausbildung studiert hat, und andererseits an die banale alltägliche Herkunft der Materialien. Innerhalb des Werkes findet sie statt zwischen den Zeichnungen, Collagen und dreidimensionalen Anordnungen sowie unter den immanenten Bestandteilen der Installationen, wo sich Farben und Formen doppeln, spiegeln, wiederholen – und nicht zuletzt auch in der Korrespondenz mit dem Raum, auf den sich der Künstler auf der Basis bestimmter Grundelemente immer wieder neu und jeweils anders bezieht.

Eines ums andere Mal muss der Betrachter amüsiert feststellen, sich in der Falle, im Catch 22 zu befinden, gefangen im Dilemma, vermeintlich alles erkennen, und doch nichts einfach enträtseln zu können, denn: What you see is not, what you get.